Oder doch? Bereits im Jahre 2000 hat James Richard Coben, Professor an der Hamline University School of Law einen Artikel mit dem Titel „Mediation’s Dirty Little Secret: Straight Talk About Mediator Manipulation and Deception“. Er belegt darin, dass Mediatoren durchaus Einfluss nehmen, auch wenn sie neutral bleiben und unparteilich. Natürlich ist das Verhalten von Mediatoren manipulativ:
- Wir managen den gesamten Verhandlungsprozess
- Wir kontrollieren dei Kommunikation zwischen den Medianden durch aktives Zuhören, Reframing etc.
- Wir entscheiden über das Setting wie Sitzordnung, Art des Tisches, Raumausstattung
- Wir entscheiden über die Zeiteinteilung und Ablauf
- und vieles mehr
Allein schon die Frage, ob die Stühle der Medianden weich oder hart sind, hat bekanntlich Einfluss auf das Verhalten. Auch das Reichen von warmen statt kalter Getränke beeinflusst die Medianden. Das größte manipulative Potenzial liegt sicher im aktiven Zuhören und Reframing. Je nachdem, was ich paraphrasiere oder verbalisiere, nehme ich Einfluss auf den Fortgang der Gespräche.
Manipulation bedeutet die gezielte und verdeckte Einflussnahme, also sämtliche Prozesse, welche auf eine Steuerung des Erlebens und Verhaltens von Einzelnen und Gruppen zielen und diesen verborgen bleiben sollen (Wikipedia). Natürlich nehmen wir als Mediatoren Einfluss in Richtung des Abschlusses einer Vereinbarung.
Ich denke, das ist auch nicht verwerflich. Jeder Mediator muss aber für sich eine klare Grenze ziehen, ab der manipulative Techniken nicht mehr gerechtfertigt oder ethisch zulässig sind. Die diversen Kodizes sagen zu dem Thema direkt nichts aus. Grundlage mediatorischen Handelns ist aber ein humanistisches Menschenbild, das besagt, dass die Menschen selbstbestimmt ihren eigenen Weg zu einer Konfliktlösung zu finden in der Lage sind. Diese Selbstbestimmtheit der Medianden heißt es zu bewahren. Und genau dort ist die Grenze, ab der Manipulation nicht mehr eingesetzt werden kann, nämlich dann, wenn die Medianden ohne ihren Willen durch manipulative Techniken zu einer Lösung verführt werden, die nicht ihren Interessen entspricht und zu der sie sich nicht informiert und selbstbestimmt entschieden haben.
Daher muss sich jeder Mediator immer überprüfen, ob er hier zu sehr manipulativ in die Entscheidungsfreiheit der Medianden eingreift oder ob es sich um eine zulässige Steuerung des Mediationsverfahrens handelt.
Zum Glück ist bei uns in Deutschland die Gefahr einer Manipulation durch den Mediator insoweit weniger akut, als bei uns in aller Regel Mediationen in gemeinsamen Sitzungen stattfinden. Anders ist es im angelsächsischen bereich. Dort wird Mediation oft als Shuttle-Mediation durchgeführt. Das gibt dem Mediator viel mehr Manipulationsmöglichkeiten an die Hand.
Also bleiben wir achtsam, neutral und allparteilich.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde ausschließlich die männliche Form gewählt. Gemeint sind selbstverständlich alle Geschlechter.
Mediation-Saar – Praxis für Konfliktmanagement und Mediation in Saarbrücken und Saarland seit mehr als 20 Jahren
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