Ich decke bei der Ausbildung von angehenden Führungskräften im Pflegebereich den Bereich Arbeitsrecht ab. In jedem Kurs werden zu Beginn die begrifflichen Grundlagen geklärt, nämlich was ist ein Arbeitnehmer und was ist ein Arbeitgeber?

Für uns (nicht nur Juristen) ist es völlig klar, dass Arbeitgeber ist, wer mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt und Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages in persönlicher Abhängigkeit Dienste erbringt. Die Begriffe „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ schaffen aber auch gewisse Realitäten. Es ist klar, dass ein Arbeitgeber dann jemand ist, der die große Güte hat, den Arbeitnehmern Arbeit zu geben. Eigentich müsste dann ja derjenige, der uns großzügig Arbeitsstellen zur Verfügung stellt, eher dafür belohnt werden und nicht noch Löhne und Gehälter zahlen müssen. Die Arbeitnehmer, die das großzügige Geschenk einer Arbeitsstelle annehmen, sollten hierfür Zeit ihres (Arbeits-) Lebens hierfür dankbar sein. Genau so werden die mit diesen Begriffen verbundenen Gefühle unausgesprochen transportiert.

Man könnte die Begrifflichkeiten auch auf den Kopf stellen: Arbeitgeber ist derjenige, der seine Arbeitsleistung dem Unternehmen gibt. Arbeitnehmer ist demgegenüber jemand, der die Arbeitsleistung der Arbeitgeber annimmt. Verwirrt? Ja könnte man sein. Wenn man gedanklich ein wenig mit diesen (gegeenüber dem Gewohnten auf den Kopf gestellten Begrifflichkeiten) gedanklich spielt, verändert sich möglichwerweise die Realität oder zumindest die Sichtweise. Denn tatsächlich nehmen ja die Unternehmen (und damit die Arbeitnehmer) die Arbeitsleistung entgegen, die ihnen die Mitarbeiter (=Arbeitgeber) geben.

Dann ist es auch stimmig, dass die Arbeitnehmer für das Entgegennehmen der Arbeitsleistung eine Gegenleistung (Lohn/Gehalt) zu erbringen haben, und dass diejenigen, die etwas geben (nämlich die Geber der Arbeit) hierfür auch etwas bekommen. Der moralische Anspruch wäre vom Kopf auf die Füße gestellt.

Würde das unser Denken oder die Realität verändern?