Manchmal muss man sich schon wundern, in welcher Weise Juristen, spricht Richter, die deutsche Sprache verbiegen. Der Bloggerkollege Burhoff hatte hier ein Urteil des OLG Dresden kommentiert, das im Endergebnis Deutschlehrer wieder ruhiger schlafen lässt.
In Sachsen ist das Reiten nur auf hierzu ausgewiesenen Wegen gestattet (zum Glück ist es im Saarland umgekehrt, dort ist das Reiten nur auf besonders ausgewiesenen Wegen verboten). Eine Reitergruppe hatte den Weg verlassen, um auf einer etwa 50 m entfernten Wiese einen Imbiss einzunehmen. Allerdings waren die Reiterinnen und Reiter abgesessen und hatten die Pferde zu der Wiese geführt. Das Amtsgericht Pirna hatte die Anführerin der Gruppe wegen Verstoßes gegen §§ 12 Abs. 1, 52 Abs. 2 Nr. 6 SächsWaldG zu einer Geldbuße in Höhe von 50,00 € verurteilt.
Nach Auffassung des Amtsgerichts ist mit dem Wort „Reiten“ auch das Führen von Pferden erfasst. Für das Entstehen von Schäden an Waldwegen sei es unerheblich, ob ein Pferd geführt oder geritten wird (Da hatte aber ein Richter viel Ahnung von Pferden!). Die Richter beriefen sich hierbei auf ein Urteil des OVG Frankfurt/Oder aus dem Jahr 1996. Dort hatten die Verwaltungsrichter entschieden, bei dem Führen eines Pferdes handele es sich nicht um eine selbständige Betätigungsform im Sinne eines „aliud“, sondern um einen integralen Bestandteil des Reitvorgangs. Die besonderen Gefahren, die von einem scheuenden Pferd ausgingen, unterschieden sich in den beiden Fällen nicht wesentlich. Es ging hier allerdings um eine Reitverordnung, in der ausdrücklich das Führen von Pferden dem Reiten gleichgestellt wurde.
Dieser Vergewaltigung der Sprache, nämlich dass das Führen eines Pferdes noch unter dem Wort Reiten zu subsumieren sei, hat das OLG Dresden nun einen Riegel vorgeschoben – zumindest für das Land Sachsen wie Herr Burhoff richtigerweise einschränkt. Die Richter führen hierzu aus, dass „die dem Schuldspruch zugrundeliegende Rechtsauffassung und Normauslegung des Amtsgerichts mit dem möglichen Wortsinn der Bußgeldbewährung des § 52 Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. § 12 Abs. 1 SächsWaldG im Hinblick auf die Auslegung des Wortes „Reiten“ nicht vereinbar ist“. Heißt auf Nichtjuristendeutsch, dass das Wort Reiten eben nicht das Führen von Pferden bezeichnet und es zu weit geht, wenn das Amtsgericht im Hinblick auf den Schutzzweck des Waldgesetzes einfach das Führen unter Reiten subsumiert, weil es auch zu Schäden am Waldweg durch Pferde führen kann (wobei es wohl schon einen Unterschied macht, ob ein Pferd – wie üblich – im Schritt geführt wird oder ob es über einen Weg galoppiert).
Die Wortsinngrenze (ein schönes Wort) sei aus der Sicht des Bürgers zu bestimmen, damit für den Bürger vorhersehbar ist, ob er einen Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand erfüllt. Die Richter weiter: „Unter dem Wort „Reiten“ wird nach allgemeiner Auffassung verstanden, eine Fortbewegungsart eines Menschen auf dem Rücken eines Tieres, meist eines Pferdes, bzw. das Sichfortbewegen auf einem Reittier (besonders einem Pferd) (vgl. Duden online, Stichwort Reiten; Wikipedia, Stichwort Reiten).
Demgegenüber ist das Führen eines Pferdes am Zügel gerade keine Nutzung des Tieres zur Fortbewegung, sondern insoweit ein Aliud zum Reiten. Der – auch vom Amtsgericht herangezogenen – Ansicht des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg, das Führen eines Pferdes stelle sich als Unterfall des Reitens dar (vgl. OVG Brandenburg, NUR 1997, 562), kann jedenfalls insoweit nicht gefolgt werden, als damit die Auslegung des Begriffes „Reiten“ über seinen Wortsinn hinaus auch das Führen eines Pferdes erfassen sollte.“
Die Richter stützen sich auch auf § 28 StVO, in dem ausdrücklich von Reiten und Führen die Rede ist. Also der Germanist und die Reiter -ääh Führer von Pferden können aufatmen.
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