Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren heißt der Entwurf, den das Bundesjustizministerium nun zur Stellungnahme an die Länder und Verbände zugeleitet hat. Den Entwurf kann man hier herunterladen.

Der wichtigste Punkt ist, dass während des laufenden Verfahrens eine Verzögerungsrüge erhoben wird. Diese kann erhoben werden, so der Entwurf, sobald Anlass für die Besorgnis besteht, dass ein Abschluss des Verfahrens in angemessener Zeit gefährdet sein könnte, frühestens jedoch nach Beendigung eines Vorverfahrens.

Nur bei Erhebung der Verzögerungsrüge erhält der Verfahrensbeteiligte Entschädigung. Es werden die materiellen Schäden ersetzt sowie die immateriellen Schäden, wobei ´bei unangemessen langer Verfahrensdauer ein immaterieller Schaden vermutet wird. Die Entschädigung von immaterielle Schäden beläuft sich auf 100 € für jeden Monat der Verzögerung, wobei der Betrag bei Unbilligkeit nach oben oder unten korrigiert werden kann. Ferner ist hier Voraussetzung, dass Wiedergutmachung nicht in anderer Weise erlangt werden kann, vor allem durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. In Strafverfahren ist eine Wiedergutmachung auf andere Weise auch, wenn das Gericht die lange verfahrensdauer zugunsten des Beschuldigten berücksichtigt hat.

Diese Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, kann auch getroffen werden, wenn die Verzögerungsrüge nicht erhoben wurde. Auf Verlangen des Betroffenen muss diese Entscheidung im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht werden.

Die Klage auf Entschädigung kann frühestens drei Monate der Verzögerungsrüge erhoben werden. Sie muss spätestens ein Jahr nach Rechtskraft der das Verfahren beendenden Entscheidung oder anderweitigen Erledigung des Verfahrens erhoben werden.

Entschädigungsgericht ist das Oberlandesgericht. Es kann (in Strafverfahren muss) das Verfahren aussetzen, solange das beanstandete Verfahren noch andauert.

Hauptproblem der Regelung ist, dass (wohl naturgemäß) der Begriff der unangemessenen Verfahrensdauer schwammig bleibt. Nach dem Gesetzesentwurf richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles, vor allem nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten. Wie oben bereits ausgeführt, darf die Verzögerungsrüge allerdings bereits erhoben werden, wenn Anlass für die Besorgnis einer langen Verfahrensdauer besteht.

Hier werden die Gerichte in den nächsten Jahren sicherlich einiges zu tun bekommen, bis die Kriterien dafür, wann ein Verfahren unangemessen lange gedauert hat, einigermaßen definiert sind. Sicherlich liege ich nicht falsch, wenn ich unterstelle, dass die Richterkollegen durchaus gnädig miteinander umgehen werden. Möglich ist aber auch, dass der Frust über die personelle und sachliche Ausstattung der Justiz sich zugunsten der Betroffenen auswirkt und über entsprechende Urteile dem Wunsch nach besserer Ausstattung Nachdruck verliehen wird.

Bis dahin wird trotzdem mancher Richter in Stress geraten, wenn ihm eine Verzögerungsrüge vorgelegt wird.

Bisher ist das alles nur ein Entwurf, gegen den die Richter sich bereits wehren. Mal sehen, was von dem Entwurf übrig bleibt und Gesetzeswirklichkeit wird.