In einem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall (Beschluss vom 11.7.2013, Aktenzeichen 2 AZB 6/13) über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist hatte Murphys Gesetz wohl zugeschlagen. Am Donnerstag, dem 29.11.2012, dem letzten Tag der Frist, wollte ein Anwalt in einem Kündigungsrechtsstreit eine Berufungsschrift gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/Main an das Hessische Landesarbeitsgericht faxen. Er versuchte es ab ca. 20 Uhr ohne Erfolg. Seit 17:24 Uhr hatte das Faxgerät des Landesarbeitsgerichts eine technische Störung und konnte deshalb keine Faxe empfangen. der Fehler wurde erst am 30.11.2012 behoben.
Der Anwalt übersandte daraufhin um 20:40 Uhr die eingescannte Berufungsschrift per E-Mail an das Landesarbeitsgericht – ohne qualifizierte elektronische Signatur.
In der Berufungsschrift war unter Aktenzeichen der I.Instanz zwar das richtige Aktenzeichen aber dazu das Arbeitsgericht Düsseldorf angeführt. Weiter unten wurde dann gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf und ein abweichendes Aktenzeichen Berufung eingelegt. Die Parteien waren aber richtig in der Berufungsschrift enthalten.
Die per Mail übersandte Berufungsschrift wurde in der Servicestelle des Hessischen Landesarbeitsgerichts am 30.11.12 ausgedruckt und mit einem Eingangsstempel 29.11.2012 versehen.
Der Leiter der Servicestelle rief daraufhin beim Anwalt an und fragte, gegen welches Urteil denn Berufung eingelegt werden solle. Der Rechtsanwalt gab dass das richtige Urteil (Aktenzeichen und Gericht) an. Der Anwalt übermittelte daraufhin kurz später die korrigierte Berufungsschrift sowie einen Wiedereinsetzungsantrag an das Landesarbeitsgericht. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung waren Faxprotokolle und eine eidesstattliche Versicherung beigefügt.
Das Landesarbeitsgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück (man hätte sich ja ansonsten mit der Berufung beschäftigen müssen) und verwarf die Berufung als unzulässig.
Hiergegen erhob der Anwalt Beschwerde zum Bundesarbeitsgericht und bekam sogar Recht.
Die per E-Mail eingelegte Berufung war nach Auffassung der Richter natürlich unzulässig, da sie nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen war. Auch eine so übermittelte Berufung könnte wirksam sein, wenn sie dem Gericht innerhalb der Frist ausgedruckt mit einer in Kopie wiedergegebenen Unterschrift vorliegt. Hier wurde die Berufungsschrift aber erst nach Fristablauf ausgedruckt.
Aber gleichwohl war Wiedereinsetzung zu gewähren, da der Berufungskläger ohne sein Verschulden an der Fristwahrung gehindert war. Er hatte rechtzeitig versucht, die Berufungsschrift an das Landesarbeitsgericht zu faxen. Die Übermittlung scheiterte jedoch erwiesenermaßen an der technischen Störung des Faxgeräts des Gerichts. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin musste nicht auf andere Weise versuchen, den Schriftsatz fristwahrend an das Landesarbeitsgericht zu übermitteln. Er hatte mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das von seiner Seite aus Erforderliche zur Fristwahrung getan. Er hatte – um ca. 20.00 Uhr – so rechtzeitig mit der Übermittlung der Berufungsschrift begonnen, dass unter normalen Umständen mit deren Zugang bis 24 Uhr zu rechnen war, so die Richter.
Daran ändert die Tatsache nichts, dass die Berufung eventuell wegen der falschen Angabe des Urteils (Aktenzeichen bzw. Gericht) unzulässig gewesen wäre, hätte das Faxgerät funktioniert. Einer solchen Berufungsschrift wären weder das Aktenzeichen der angegriffenen Entscheidung noch das erstinstanzliche Gericht zweifelsfrei zu entnehmen gewesen. Da ihr auch das erstinstanzliche Urteil nicht beigefügt gewesen wäre, hätte die Berufungsschrift auch bei rechtzeitigem Eingang nicht den Anforderungen des § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genügt, so die Richter des Landesarbeitsgerichts.
Hierauf kommt es aber nach Auffassung der Bundesrichter nicht an. Voraussetzung für die Wiedereinsetzung ist, dass der Berufungskläger ohne sein Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Ob die Berufungsschrift ansonsten den Voraussetzungen genügt, ist nicht im Wiedereinsetzungsverfahren zu prüfen.
Da aber rechtzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden war und auch die Rechtshandlung innerhalb der Frist nachgeholt wurde, war dem Antrag stattzugeben. Die nachgereichte Berufungsschrift enthielt aber das richtige Gericht und das richtige Aktenzeichen.
Hieran ändert auch nichts der Ausdruck der per Mail übersandten Berufungsschrift. Diesee kann innerhalb der Berufungsfrist ja noch korrigiert werden. Die Klägerin durfte nach unverschuldeter Fristversäumung die Prozesshandlung binnen zweier Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachholen. Während dieser Zeit ist sie so zu stellen, als hätte sie die Frist nicht versäumt. Ihr kommt daher auch das Recht zu, in diesem zeitlichen Rahmen einen Formfehler der Berufungsschrift zu korrigieren.
Also, manchmal kann einem Murphy auch Glück bringen!
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