Natürlich geben die Rechtsanwälte eine Einschätzung der Erfolgsaussichten der eigenen Rechtsposition ab, bevor sie einen Prozess einleiten oder auf der Beklagtenseite aufnehmen. Diese Aussagen sind in aller Regel allerdings eher schwammig („Ich denke, wir haben gute Aussichten“ usw.). Die Einschränkungen (vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand) werden von den Mandanten oft nicht richtig wahrgenommen, wass dann bei negativem Ausgang oft für Verstimmung sorgt, oder schlicht für unbrauchbar gehalten („Typisch Jurist! Mit der Antwort kann keiner etwas anfangen.“).
Geht es auch anders? Natürlich, es gibt die mathematische Methode der Prozessrisikobestimmung anhand eines Entscheidungsbaums. Für eine Klage auf Schmerzensgeld, dessen Höhe unklar ist und bei dem auch die Frage von Mitverschulden im Raume steht, könnte dieser Entscheidungsbaum wie folgt aussehen:
Sie gehen von einem Schmerzensgeld von maximal 15.000 € aus, das Sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 % durchsetzen können, zu 50 % ein mittleres Schmerzensgeld von 10.000 € und zu 20 % ein niedriges Schmerzensgeld von 5.000 €. Zu 50 % gehen Sie davon aus, dass das Gericht kein Mitverschulden anrechnet, zu 30 % ein hälftiges Mitverschulden und zu 20 % ein hohes Mitverschulden von 4/5. Die Versicherung bietet einen Vergleichsbetrag von 6.000 € an. Was können Sie Ihrem (rechtschutzversicherten) Mandanten raten?
Nun, da hilft Bauchgefühl wenig. Der Erwartungswert der Forderung unter den gegebenen Umständen balüft sich auf 7.245 €, so dass Sie versuchen soltlen, den Vergleichsbetrag noch heruafzuhandeln. Aber wie hätteen Sie ohne die Berechnung auf ein Vergleichsangebot von 7.500 € reagiert?
Natürlich bringt eine solche Berechnung nicht mehr Sicherheit, da Sie nur Wahrscheinlichkeiten zugrunde legen können und auch diese nicht in Stein gemeißelt sind. Aber Sie können eine weit konkretere Vorhersage machen und den Mandanten auch besser über die Risiken aufklären. Dies gilt um so mehr, als das menschliche Gehirn mit Wahrscheinlichkeiten schlecht umgehen kann. Was würden Sie z.B. einem Mandanten raten, der eine Forderung von 100.000 € einklagen will. Es gibt drei Weichenstellungen in der Rechtssache, die Sie mit jeweils 75 % zugunsten Ihres Mandanten bewerten. Raten Sie ihm zur Klage und was sagen Sie? „Wir haben überwiegend gute Chancen!“?? Wenn Sie zusammenrechnen kommen Sie auf eine Wahrscheinlichkeit für die 100.000 € von etwas mehr als 40 %!
Natürlich können und müssen Sie die Berechnung anpassen, wenn sich neue Informationen ergeben (das Gericht lässt in unserem obigen Fall erkennen, dass es 15.000 € Schmerzensgeld für überhöht hält. Das ändert aber nichts daran, dass eine solche konkrete Berechnung äußerst hilfreich ist, wir Juristen haben das nur nie gelernt.
Auch in der Mediation ist eine solche Berechnung hilfreich. Man kann zum Beispiel errechnen, ob es eine Einigungszone gibt oder gemeinsam die Wahrscheinlichkeiten festlegen.
Am Samstag, dem 11. Oktober 2014 bieten wir in Saarbrücken einen Workshop „Prozessrisikoberechnung für Mediatoren und Juristen“ an. in dem die Methode vorgestellt und anhand von Beispielfällen eingeübt wird. Gern können die Telnehmer/-innen auch eigen Fälle einbringen. Anmeldung per Mail oder über unsere Homepage.
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