Wir können nicht anders! Schon Kinder antworten, wenn sie beim Streiten angetroffen werden: „Der andere hat angefangen!“ Und als Erwachsene machen wir es genauso.
Watzlawick formulierte das 3. Axiom der Kommunikation wie folgt: „Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktionen der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt.“
Was ist damit gemeint? Jede Äußerung menschlicher Kommunikation ist Reaktion und Ursache zugleich. Wir neigen dazu, immer nur unseren Beitrag zur Kommunikation als Reaktion zu sehen. Menschliche Kommunikation ist auch nicht in Kausalketten auflösbar. In Wahrheit kann niemand genau sagen, was und wer bei einem Streit angefangen hat. Der von einer Seite gesehene(angebliche) Ursprung eines Streites entsteht nur durch das willkürliche Setzen eines Anfangspunktes. Das nennt man Interpunktion bei der Kommunikation. Beliebtes Beispiel ist die Ehefrau, die nörgelt, und der Ehemann, der sich zurückzieht. Sie wird der Überzeugung sein, dass sie nur nörgelt, weil er sich immer zurückzieht, er wird erklären, dass er sich nur zurückzieht, weil sie immer nörgelt. Sie finden das Beispiel auch schön dargestellt bei Wikipedia hier.
Weil jeder der Beteiligten immer nur seinen Beitrag als Reaktion auf den Beitrag des anderen sieht, entstehen hier Teufelskreise, die sich selbst immer wieder beflügeln. Hieraus kann man nur ausbrechen, wenn man die Eben, in der das Problem auftritt, verlässt und Metakommunikation betreibt, d.h. über die Kommunikation kommuniziert. Praktisch sieht man sich das eigene Verhalten und das Verhalten des anderen von einer höheren Warte aus an. Im übertragenen Sinne: Man steht auf einem Turm und sieht sich selbst und den anderen unten agieren.
Da die Streitbeteiligten in aller Regel in ihrem Streit gefangen sind, sind sie meist nicht in der Lage, insoweit die Sichtweise zu ändern. Dies ist dann Aufgabe eines Mediators, der den Streitenden hilft, sich in eine höhere Warte zu begeben und zu sehen, wie sie in dem Konflikt agieren. Das hilft oft, derartige Teufelskreise aufzulösen und konstruktive Ergebnisse zu erzielen.
Die Aussage, daß an einem Scheitern der Kommunikation immer beide Seiten „schuld“ seien, kann nur insoweit zutreffend sein, als beide Seiten die Kommunikation aufrichtig betreiben. Das ist leider oft nicht der Fall. Wenn eine Seite unaufrichtig handelt, ist dagegen kaum ein Kraut gewachsen. Mit Schiller gesprochen: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.“ (Wilhelm Tell)
Aber, Herr Splendor, da haben Sie doch die beiden: der Nachbar ist böse geworden, weil der Eine immer der Frömmste sein will, und der Frömmste kann nicht in Frieden bleiben, weil ihm der Nachbar auch nicht gefällt, denn der ist böse.
Da nun aber immer wieder jemandem etwas nicht gefällt, deshalb haben wir alle üppig Arbeit.