Mensch vs. Person – wie viele bin ich?

Mensch vs. Person – wie viele bin ich?

Manchmal bekomme ich in er Mediation von einer Seite zu hören „Sie müssten sie/ihn einmal zu Hause erleben, da ist sie/er ein ganz anderer Mensch, Hier spielt sie/er ein Theater!“ Für mich als systemisch denkender Mediator ist das völlig normal.

In Niklas Luhmanns sozialtheoretischem Ansatz sind soziale Systeme primär als Kommunikationssysteme zu verstehen. Für Luhmann besteht die Gesellschaft nicht aus Individuen oder „Menschen“ im traditionellen Sinne, sondern aus Kommunikation, die sich durch Interaktionen und Diskurse fortsetzt und dadurch soziale Strukturen bildet. Die Menschen als physische-psychische Systeme sind mit dem sozialen System, mit dem sie interagieren, strukturell gekoppelt. Im systemischen Denken bedeutet „strukturell gekoppelt“, dass zwei oder mehr Elemente innerhalb eines Systems so miteinander verbunden sind, dass Veränderungen in einem Element Auswirkungen auf die anderen haben. Diese Kopplung kann in verschiedenen Kontexten auftreten, wie etwa in sozialen Systemen, Organisationen oder Familien.

Der Mensch als physisch-psychisches System ist aber für das soziale System Umwelt, weil die Kommunikation innerhalb des Systems nicht durch das Individuum selbst, sondern durch die sozialen Strukturen und Kommunikationsprozesse bestimmt wird. Der Mensch ist also ein Akteur innerhalb des Systems, aber das System selbst existiert und funktioniert unabhängig von den individuellen Menschen. Der Mensch ist in dieser Sichtweise eher der Impulsgeber oder Beteiligte, dessen Handlungen und Kommunikationen das soziale System beeinflussen können, aber das System ist nicht auf das einzelne Individuum angewiesen.

Beispiel:

Wenn man eine Organisation als soziales System betrachtet, dann sind die einzelnen Mitarbeiter Teil dieses Systems. Die Organisation selbst ist jedoch nicht einfach nur die Summe der Mitarbeiter – sie ist ein eigenständiges System, das durch Kommunikation und Entscheidungsprozesse zusammenhält. Die Mitarbeiter sind Teil der Umwelt des Systems, indem sie mit ihrer Kommunikation (z. B. durch Gespräche, Meetings, Emails) in das System eingreifen, aber sie sind nicht der alleinige Ursprung des Systems.

Hier kommt dann der Begriff der Person ins Spiel: Der Begriff „Person“ stammt vom lateinischen „per sonare“ (hindurch tönen) und verweist auf die Maske eines Schauspielers im antiken Theater. In diesem Sinne wird „Person“ nicht als psychisches System verstanden, sondern als soziales Konstrukt, das durch Kommunikation entsteht. Es ist das Bild eines Menschen, das durch Kommunikation mit anderen innerhalb eines sozialen Systems konstruiert wird. DMan könnte statt des Begriffes „Person“ auch den Begriff „Image“ verwenden.

Auch wenn wir uns bemühen, ein bestimmtes Bild (image, Person) innerhalb eines sozialen Systems von uns zu erzeugen, haben wir tatsächlich keine Kontrolle darüber. Fritz B. Simon drückt es so aus, dass der Teilnehmer an der Kommunikation immer Opfer und Täter zugleich ist, was die soziale Konstruktion seiner Person angeht. In unterschiedlichen sozialen Kontexten tritt jeder Mensch als unterschiedliche Person (Image) auf. Dies kennen wir eigentlich alle. So ist es unserem schulpflichtigen Kind vielleicht nicht so angenehm, wenn er am Wochenende in Begleitung seiner Eltern auf eine(n) Mitschüler*in trifft, weil seine Person im sozialen System „Schule/Klasse“ eine völlig andere ist als im Kontext Familie. Dann wird es schwierig, beide Personen widerspruchsfrei aufrecht zu erhalten.

Und genau darum geht es dann auch in der Mediation. Es verwundert daher nicht, dass ein Mensch im Kontext/sozialen System Mediation eine andere Person ist als im sozialen System Familie oder Ehe. Es existieren von uns so viele Personen, wie wir mit sozialen Systemen strukturell gekoppelt sind. Dies ist auch nicht verwerflich. Die Fähigkeit, sich an die Spielregeln unterschiedlicher sozialer Systeme anzupassen, ist eine notwendige Kompetenz. Unser Glück ist aber, dass wir nur selten in die Situation kommen, dass mehrere soziale Systeme zur gleichen Zeit von uns bedient werden müssen.

Gerfried Braune

Assessor jur. & zertifizierter Mediator Ringstr, 49, 66130 Saarbrücken, Telefon +49 6893 986047 Fax +49 6893 986049, Mobil +49 151 40 77 6556

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