„Mediation ist keine Technik – sie ist eine Haltung“
Interview mit Gerfried Braune über die Ausbildung „Mediator/-in im Unternehmen (IHK)“
Herausgeber:
Herr Braune, Sie leiten seit vielen Jahren Mediationsausbildungen und bilden Mediator:innen in unterschiedlichen Kontexten aus. Was war Ihre Motivation, gerade die Ausbildung „Mediator/-in im Unternehmen (IHK)“ zu entwickeln?
Gerfried Braune:
In Unternehmen wird viel über Kommunikation, Teamarbeit und Führung gesprochen – aber zu wenig darüber, wie Menschen in Spannungsfeldern wirklich miteinander in Kontakt bleiben können. Konflikte werden häufig delegiert, ausgesessen oder in Hierarchien „nach oben“ geschoben. Ich wollte eine Ausbildung schaffen, die genau da ansetzt: praxisnah, betriebsrelevant und zugleich tief in der mediationsethischen Haltung verwurzelt.
Herausgeber:
Welche besonderen Herausforderungen erleben Sie heute in Unternehmen, die durch Mediation adressiert werden können?
Gerfried Braune:
Wir leben in einer Zeit massiver Umbrüche: Fachkräftemangel, Digitalisierung, Wertewandel. All das erzeugt Druck und Unsicherheit. In solchen Umfeldern entstehen Konflikte nicht, weil Menschen schlecht miteinander umgehen, sondern weil Strukturen, Erwartungen und Bedürfnisse auseinanderdriften. Mediation hilft, wieder Anschlussfähigkeit herzustellen – also Verständigung auf Augenhöhe, trotz unterschiedlicher Interessen.
Herausgeber:
Wie unterscheidet sich Ihre IHK-Ausbildung von einer „klassischen“ Mediationsausbildung?
Gerfried Braune:
Der Unterschied liegt weniger in den Inhalten als in der Anwendungsperspektive. Wir verknüpfen die Standards der ZMediatAusbV mit den realen Anforderungen im Unternehmenskontext: mit Themen wie Führungsrollen, Teamkonflikten, Change-Prozessen oder innerbetrieblichen Kommunikationsstörungen. Die Teilnehmenden lernen nicht nur, eine Mediation zu führen, sondern auch, mediativ zu handeln – also die Haltung in den Alltag zu integrieren.
Herausgeber:
Wie holen Sie Führungskräfte oder Personalverantwortliche ab, die mit Mediation bisher wenig Berührung hatten?
Gerfried Braune:
Viele kommen, weil sie Konflikte satt haben – und nicht, weil sie Mediation schon kennen. Wir starten daher mit Selbsterfahrung: Was löst Konflikt in mir aus? Welche Kommunikationsmuster wiederholen sich? Erst wenn jemand verstanden hat, was er oder sie selbst zum Konfliktsystem beiträgt, wird Mediation wirklich wirksam. Das ist ein sehr lebendiger Lernprozess, der weit über theoretisches Wissen hinausgeht.
Herausgeber:
Welche Themen stehen im Mittelpunkt der Ausbildung?
Gerfried Braune:
Neben dem klassischen Fünf-Phasen-Modell der Mediation arbeiten wir intensiv mit systemischem Denken, Kommunikationstheorien und hypnosystemischen Konzepten. Außerdem fließen Themen wie Organisationspsychologie, Konfliktdynamiken und die Rolle der Führung mit ein. Die Teilnehmenden lernen, Konflikte als Signale zu verstehen – und nicht als Störung.
Herausgeber:
Wie praxisorientiert ist die Ausbildung?
Gerfried Braune:
Sehr. Wir arbeiten mit Fallvignetten, Rollenspielen und echten Praxisfällen der Teilnehmenden. Ein zentrales Element ist die Selbsterfahrung – also das Reflektieren der eigenen Haltung, Reaktionsmuster und Glaubenssätze. Wir üben Feedback, Selbstregulation und Allparteilichkeit. Theorie gibt die Richtung, aber Lernen geschieht im Tun.
Herausgeber:
Sie sprechen von „Haltung“. Was bedeutet mediative Haltung im Unternehmenskontext?
Gerfried Braune:
Mediation ist keine Technik – sie ist eine Haltung des Respekts, der Neugier und der Nichtbewertung. Wer mediativ handelt, will nicht recht haben, sondern verstehen. Diese Haltung wirkt im Alltag Wunder: in Meetings, Feedbackgesprächen oder Verhandlungen. Sie öffnet Räume, in denen Lösungen entstehen können, die vorher undenkbar waren.
Herausgeber:
Wie werden die Teilnehmenden auf die Zertifizierung als zertifizierte Mediator:innen vorbereitet?
Gerfried Braune:
Wir erfüllen alle Vorgaben der ZMediatAusbV, inklusive Supervision und Praxisnachweisen. Die IHK-Zertifizierung gibt den Teilnehmenden ein klares Qualitätssiegel und schafft Vertrauen bei Unternehmen. Gleichzeitig ist sie ein Signal: Hier geht es um professionelle Konfliktkompetenz, nicht um „Soft Skills light“.
Herausgeber:
Welche Kompetenzen nehmen die Teilnehmenden über die Mediation hinaus mit?
Gerfried Braune:
Sie entwickeln eine feinere Wahrnehmung für Dynamiken – in Teams, in Gesprächen, in sich selbst. Viele berichten, dass sie gelassener, klarer und zugleich empathischer führen. Mediation schärft nicht nur das Konfliktverständnis, sondern stärkt auch Führungsintelligenz, Kommunikationsfähigkeit und Selbstreflexion.
Herausgeber:
Gibt es typische Aha-Momente in der Ausbildung?
Gerfried Braune:
Oh ja. Zum Beispiel, wenn Teilnehmende entdecken, dass jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit konstruiert – und dass Verstehen heißt, diese Wirklichkeit zu würdigen, nicht zu bewerten. Oder wenn jemand erkennt, dass ein Konflikt nicht das Ende einer Beziehung ist, sondern oft der Anfang eines echten Dialogs.
Herausgeber:
Wie verändert Mediation die Kommunikations- und Konfliktkultur in Unternehmen?
Gerfried Braune:
Nachhaltig. Wenn Menschen mediativ denken, beginnen sie, Konflikte frühzeitig anzusprechen, zuzuhören und Verantwortung zu übernehmen. Das wirkt wie eine Kulturimpfung gegen Eskalation. Unternehmen, die Mediation ernst nehmen, erleben weniger Fluktuation, mehr Vertrauen und höhere Innovationskraft.
Herausgeber:
Welche Rückmeldungen bekommen Sie von Absolvent:innen?
Gerfried Braune:
Viele berichten, dass sie anders führen, anders zuhören, anders entscheiden. Manche haben eigene interne Mediationsstellen aufgebaut oder Konfliktlotsen-Netzwerke initiiert. Für mich ist das das schönste Feedback: wenn Mediation lebt – nicht als Verfahren, sondern als Haltung im Alltag.
Herausgeber:
Wie sehen Sie die Zukunft der Wirtschaftsmediation?
Gerfried Braune:
Mediation wird zur Schlüsselkompetenz in einer komplexen Welt. Unternehmen müssen lernen, Spannungen nicht zu vermeiden, sondern produktiv zu nutzen. Ich glaube, dass die Zukunft denjenigen gehört, die Konflikte nicht als Problem, sondern als Entwicklungschance begreifen.
Herausgeber:
Was sollten Interessierte mitbringen – und was dürfen sie erwarten?
Gerfried Braune:
Neugier, Selbstreflexion und Lust auf Perspektivenwechsel. Wir begleiten sie in einem intensiven Lernprozess, der fachlich fundiert und menschlich bewegend ist. Am Ende steht nicht nur ein Zertifikat, sondern oft auch ein anderer Blick auf Konflikte – und auf sich selbst.
Herausgeber:
Zum Abschluss: Was ist Ihre Vision für Mediation in Unternehmen?
Gerfried Braune:
Ich wünsche mir, dass Mediation so selbstverständlich wird wie Mitarbeitendengespräche oder Projektbesprechungen – dass man in Organisationen sagt: „Lasst uns das mediativ klären.“ Dann wäre ein Stück Kulturwandel geschafft.
🟢 Info:
Die nächste Ausbildung „Mediator/-in im Unternehmen (IHK)“ startet am 7. November 2025.
Anmeldung und Informationen unter www.mediation-saar.de
Direkter Buchungslink: https://bit.ly/4kIjg2x

