Mediation braucht keine Ergebnisoffenheit – sie schafft sie
In der Literatur wird Ergebnisoffenheit als Grundvoraussetzung für ein Mediationsverfahren genannt. Ergebnisoffenheit in der Mediation bedeutet, dass die Konfliktparteien unvoreingenommen in das Verfahren gehen, ohne bereits eine bestimmte Lösung zu erwarten oder zu fordern. Stattdessen sind sie bereit, neue Lösungsoptionen zu erkunden, um gemeinsam eine für alle Beteiligten faire und tragfähige „Win-Win-Lösung“ zu erarbeiten, die ihre jeweiligen Interessen berücksichtigt. (So Google Gemini)
Gehen die Mediandinnen tatsächlich ergebnisoffen in eine Mediation? Ich bin sit 29 Jahren als Mediator tätig. Ich zweifle daran. In der Regel haben die Mediandinnen in ihrem Konflikt eine Vorgeschichte. Sie haben mit Sicherheit eine Konflikt-„Kultur“ entwickelt. Wenn beide wirklich ergebnisoffen wären, bräuchten sie keine Mediation. Dann könnten sie sich ohne weiteres selbst einigen.
Gunther Schmidt, der Begründer der hypnosistemischen Therapie und Beratung hat es in einem Vortrag so ausgedrückt, dass jede Mediandin natürlich für Veränderungen offen ist – allerdings muss sich die andere ändern, nicht sie selbst! Das bedeutet, dass auch nach meiner langjährigen Erfahrung die Mediandinnen mit eigentlich weitgehend festgefügten Erwartungen und Vorstellungen in die Mediation kommen. Sie erwarten eigentlich, dass die andere Partei im Verlauf der Mediation einsieht, dass sie im Unrecht ist und daher auf die eigenen Vorstellungen einschwenkt. Dem ist natürlich nicht so.
Deshalb wollen die Mediandinnen meist auch direkt die streitigen Fragen inhaltlich (in ihrem Sinne) klären. Ich hatte auch schon einen Medianden, der meinte, ich wolle ja nur Geld schinden, wenn ich den Weg über die Interessenklärung gehen will anstatt gleich die Lösungen zu diskutieren. Ich weise dann stets darauf hin, dass ihre eigene Methode der Konfliktlösung bisher wohl wenig Erfolg hatte.
Unabdingbar ist für mich allerdings, dass die Mediatorin ergebnisoffen ist und zwar zu 100%. Hier kommt die Grundüberzeugung einer Mediatorin zum Ausdruck, dass die Medianden alle Mittel, ihren Konflikt selbst zu lösen, mitbringen. Diese Ergebnisoffenheit fehlt manchmal bei juristischen Mediatorinnen, da sie den Konflikt sofort in ihre juristischen Schubladen einordnen und sofort die (juristische) Lösung parat haben.
Natürlich kann eine Mediation nur dann zu einer gemeinsamen Lösung kommen, wenn die Mediandinnen offener werden für kreative Resultate. Dies kann aber nur das Ergebnis einer Mediation und nicht ihre Voraussetzung sein. Die Mediatorin wird immer wieder auf das Dilemma hinweisen, dass sie keine Änderung erwartet, da natürlich aus ihrer Sicht heraus jede Seite wertvolle Bedürfnisse vertritt und es sich um anerkennenswerte Sichtweisen handelt und nicht um die reine Wahrheit und dass es natürlich Auswirkungen hat, wenn alle auf ihren unveränderten Positionen beharren.
Gerade im Blick auf diese Auswirkungen und auch im Blick auf das gewünschte übergeordnete Ziel der Mediation weichen sich die vorher oft strikt vertretenen Positionen auf und der Weg wird frei, Lösungsmöglichkeiten ergebnisoffen zu besprechen.