Die Rolle des Mediators: Steuermann, Dolmetscher oder Katalysator?
Wer in einem Sturm auf See gerät, braucht Orientierung – aber keinen Kapitän, der das Ruder übernimmt und den Kurs bestimmt. Genau so ist es in Konflikten: Menschen brauchen jemanden, der sie durch die Wellen führt, ohne für sie zu entscheiden. Hier beginnt die besondere Rolle des Mediators. Oft wird sie missverstanden – manche erwarten einen Schiedsrichter, andere einen Therapeuten. Doch Mediation folgt einer eigenen Logik: Der Mediator gestaltet den Prozess, nicht das Ergebnis.
1. Was ein Mediator nicht ist
Um die Rolle des Mediators zu verstehen, hilft zunächst die Abgrenzung:
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Kein Richter: Mediatoren sprechen keine Urteile. Sie entscheiden nicht, wer „Recht hat“.
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Kein Anwalt: Mediatoren vertreten keine Partei, sondern alle Beteiligten zugleich – allparteilich und neutral.
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Kein Therapeut: Zwar spielen Gefühle eine Rolle, doch es geht nicht um Vergangenheitsbewältigung, sondern um Zukunftsgestaltung.
Diese Abgrenzung schafft den Raum, in dem Mediatoren ihre eigentliche Wirkung entfalten können.
2. Der Mediator als Steuermann
Die erste wichtige Rolle ist die des Steuermanns. Mediatoren halten das Verfahren auf Kurs:
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Sie geben Struktur und schaffen einen klaren Rahmen.
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Sie sorgen dafür, dass Regeln eingehalten werden und jede Stimme gehört wird.
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Sie achten auf Ausgleich zwischen Rede- und Denkphasen.
Der Steuermann lenkt – aber er bestimmt nicht, wohin die Reise geht. Er sorgt lediglich dafür, dass das Boot nicht kentert.
3. Der Mediator als Dolmetscher
Konflikte sind oft Kommunikationskrisen. Worte verletzen, Botschaften gehen verloren, Bedürfnisse bleiben unerhört. Hier wird der Mediator zum Dolmetscher:
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Er übersetzt Vorwürfe in Interessen („Du kümmerst dich nie!“ → „Ich brauche mehr Unterstützung“).
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Er macht unausgesprochene Bedürfnisse sichtbar.
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Er ermöglicht Verständnis, ohne Partei zu ergreifen.
Wie ein Sprachvermittler überträgt er nicht nur Wörter, sondern auch Bedeutungen und Emotionen. So entsteht die Basis für echtes Verstehen.
4. Der Mediator als Katalysator
Die vielleicht subtilste Rolle ist die des Katalysators. Mediatoren bringen Bewegung in festgefahrene Situationen:
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Durch Fragen, die neue Perspektiven öffnen.
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Durch Reframing, das den Blick auf Ressourcen und Lösungen lenkt.
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Durch das Einladen, über Zukunft statt Vergangenheit zu sprechen.
Ein Katalysator ermöglicht Reaktionen, ohne sich selbst zu verändern. Genau so fördert der Mediator Verständigung, bleibt aber selbst außen vor. Die Parteien erarbeiten ihre Lösungen eigenverantwortlich.
5. Welche Haltung dahintersteht
Allen Rollen gemeinsam ist eine bestimmte Haltung:
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Neutralität und Allparteilichkeit: Mediatoren sind für alle Beteiligten gleichermaßen da.
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Ressourcenorientierung: Sie gehen davon aus, dass die Parteien bereits alles in sich tragen, um den Konflikt zu lösen.
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Ergebnisoffenheit: Der Weg ist vorgegeben, nicht aber das Ziel.
Diese Haltung unterscheidet die Mediation grundlegend von anderen Verfahren der Konfliktbearbeitung.
6. Fazit: Die Balance der Rollen
Steuermann, Dolmetscher, Katalysator – keine dieser Rollen allein beschreibt die Arbeit von Mediatoren vollständig. Je nach Situation wechseln sie flexibel zwischen ihnen. Mal braucht es klare Struktur, mal empathisches Übersetzen, mal die sanfte Impulsgebung, die Blockaden löst.
Am Ende ist die Kunst der Mediation, diese Rollen miteinander zu verbinden – ohne den Takt vorzugeben oder die Entscheidung an sich zu ziehen.
Wie ein erfahrener Musiker, der verschiedene Instrumente beherrscht, setzt der Mediator immer das passende Werkzeug ein. Doch die Melodie, die gespielt wird, bleibt die der Parteien selbst.