1. Nach Änderung des § 7 Abs. 2 StVG durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften ist bei Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Kraftfahrzeugen und erwachsenen, nicht hilfsbedürftigen Radfahrern ein vollständiger Haftungsausschluss nur noch in besonderen Einzelfällen möglich, insbesondere dann, wenn der einfachen Betriebsgefahr des Kraftfahrzeughalters ein grob verkehrswidriges Verhalten des Radfahrers gegenübersteht.
2. Grobes Fehlverhalten in diesem Sinne ist z. B. ohne weiteres gegeben, wenn ein wartepflichtiger Radfahrer blindlings und ohne Halt aus einem Feldweg auf eine Landstraße einbiegt.
Das sind die Leitsätze eines Urteils des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 04.07.2013 (4 U 65/12 – 19). In dem entschiedenen Fall war eine Radfahrerin von einem Feldwirtschafts- und Radweg kommend nach links in eine Landstraße eingebogen, ohne die Vorfahrt des dort herannahenden Ford Transit zu beachten. Die Radfahrerin stieß mit dem Kleinlastwagen zusammen und wurde schwer verletzt.
Die Radfahrerin hatte dann noch den Mut, ihren gesamten Schaden und Schmerzensgeld einzuklagen. Sie meinte, der Unfall sei für sie unabwendbar gewesen, sie könne sich an den Unfall zwar nicht mehr erinnern, sie habe aber den Linksabbiegevorgang bereits beendet gehabt und der Laster habe sie auf der linken Fahrbahnseite fahrend frontal erwischt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beweiserhebung habe ergeben, dass die Radfahrerin ohne Beachtung der Vorfahrt des Kleinlasters nach links abgebogen sei. Die Geschwindigkeit des Kleinlasters habe ungefähr 50 km/h betragen und ein Fehlverhalten des Fahrers sei nicht zu erkennen. Demnach überwiege das Verschulden der Radfahrerin so stark, dass die Betriebsgefahr des Kleinlasters nicht zu berücksichtigen sei.
Auf die Berufung der Radfahrerin hat das Oberlandesgericht nun das Urteil dahingehend abgeändert, dass der Radfahrerin 1/3 der geltend gemachten Ansprüche zusteht. Bei der Abwägung zeiht das Gericht zunächst die Materialien zur Änderung des § 7 StVO heran. Der Haftungsauschluss nur noch bei höherer Gewalt sollte vor allem den nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern zugute kommen. Demnach sollte ein vollständiger Haftungsausschluss nur noch in besonderen Einzelfällen möglich sein, insbesondere dann, wenn der einfachen Betriebsgefahr des Kraftfahrzeughalters ein grob verkehrswidriges Verhalten des Radfahrers gegenübersteht. Grobes Fehlverhalten in diesem Sinne sei z. B. ohne Weiteres gegeben, wenn ein wartepflichtiger Radfahrer blindlings und ohne Halt aus einem Feldweg auf eine Landstraße einbiege, so die Richter. Ein solches grober Verstoß sei der Radfahrerin aber nicht nachzuweisen, zumal auch der Fahrer des LKW ausgesagt hatte, dass die Radfahrerin möglicherweise im Einmündungsbereich noch angehalten habe, dann aber unerwartet doch eingebogen sei. Im Hinblick auf die erhebliche Betriebsgefahr des LKW sei daher eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 gerechtfertigt, wobei der höhere Verschuldensanteil bei der Radfahrerin liege.
Also ist es bei einem Unfall mit einem Radfahrer schwerer, bei einem überwiegenden Verschulden des Radfahrers dahin zu kommen, dass die Betriebsgefahr hinter dem Verschulden des Radfahrers zurücktritt. Im Zweifel bleibt also beim Autofahrer immer was hängen, es sei denn, der Radfahrer war kamikazemäßig unterwegs.
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