Si tacuisses,…
philosophus mansisses! (Wenn du geschwiegen hättest, wärst du Philosoph geblieben)
Ein Spruch, der für viele Anwaltskanzleien Geltung hat, zumindest wenn man deren Kanzleihomepages unter dem Gesichtspunkt „Kanzleiphilosophie“ einmal ansieht. Google listet unter dem Stichwort „Kanzleiphilosophie Rechtsanwalt“ 21.000 Fundstellen auf. Nein, ich habe sie nicht alle gelesen, dann wäre ich wahrscheinlich reif für die Klapse gewesen. Aber ein paar Dutzend habe ich mir zu Gemüte geführt und das war bei Gott keine abwechslungsreiche Lektüre.
Kreativität scheint unter Rechtsanwälten nicht gerade epidemisch aufzutreten. Alle Philosophien drehen sich (mit dem einen oder anderen Schwerpunkt) um die Themen Qualität (alle bieten selbstverständlich rechtliche Beratung und Vertretung auf höchstem Niveau), Kostentransparenz (Sie wissen, was an Kosten auf Sie zukommt), Erreichbarkeit (teilweise Tag und Nacht), Prozessvermeidung (wir sind bestrebt, Ihren Fall außergerichtlich zu klären um einen teuren Prozess zu vermeiden), Vertrauen (ist die Basis unserer Mandatsbeziehung) und individuelle Interessenvertretung (der Mandant steht bei uns im Mittelpunkt).
Oft werden Selbstverständlichkeiten hervorgehoben (wir vertreten Ihre Interessen). Dass der Anwalt sich fortbildet, sollte eigentlich auch keiner Erwähnung unter dem Punkt Kanzleiphilosophie bedürfen. Mir ist eigentlich keine Kanzleiphilosophie vor Augen gekommen, die in irgend einer Weise ein Alleinstellungsmerkmal beinhaltete.
Eins wird in aller Regel klar, wenn man sich durch die Vielzahl von Kanzleiphilosophien durcharbeitet: Grundlage dieser Seiten ist in aller Regel nicht ein wirklich in der Kanzlei erarbeitetes Leitbild. Offenbar wird irgendetwas zusammengeschustert, von dem man annimmt, dass es dem potenziellen Mandanten gefällt und ihn überzeugt. Aber Leute, lest mal diese Internetseiten mit den Augen des Mandanten, der einen Anwalt sucht. Wenn er beim dritten Anwalt, dessen Internetseiten er aufruft, wieder dieselbe Kanzleiphilosophie findet, wird er darauf sicher nicht mehr abfahren.
Die Frage ist doch, nach welchen Kriterien suchen die Mandanten den Anwalt aus (oder suchen einen Anwalt im Internet)? Sicherlich nicht nach dem Kriterien „Kanzleiphilosophie“. Deshalb mein Rat: Lasst die Kanzleiphilosophie einfach weg. Sagt dem Mandanten, was ihr am besten könnt (aber nicht gleich 4 oder 5 Sachen), dann wird er sich, für Euch entscheiden, wenn es passt. Ansonsten siehe oben!
3 Gedanken zu „Si tacuisses,…“
Gleich im Eingangssatz, in dem eine gewisse Geringschätzigkeit gegenüber anderer Leute Außendarstellungen transportiert wird, steckt ein fetter Rechtschreibfehler. Aua. Oder auf ausländisch: Si tacuisses…
Das Besondere an diesen „Philosophien“ ist, dass sie mit Philosophie nichts zu tun haben.
Man muss schon entsprechend gebaut sein, um beim Anblick des Wortes „Kanzleiphilosophie“ nicht auf dem Absatz kehrt zu machen – oder weiterzuklicken. Aber vielleicht steckt gerade darin die Absicht, nämlich die passende Klientel auszuwählen.
Danke für den Hinweis. Ich habe den fehlenden Buchstaben eingefügt.