…werden wir die Zukunft verlieren! (Winston Churchill)
Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen Mediation und der herkömmlichen Konfliktbeilegung durch Anwälte und/oder Gerichtsverfahren ist der, dass Mediation zukunftsbezogen ist.
Das Gerichtsverfahren ist ausschließlich auf die Vergangenheit festgelegt und der/die Richter versuchen, aus den Fakten der Vergangenheit abzuleiten, ob der geltend gemachte Anspruch begründet ist. Deshalb heißt es auch: da mihi facta, dabo tibi ius (für die Nichtlateiner: Gib mir die Tatsachen, ich werde dir das Recht geben). Ponschab/Schweizer haben das in ihrem lesenswerten Buch „Kooperation statt Konfrontation“ wie kurz und treffend so ausgedrückt: Der erfolgreiche Anwalt ist ein Archäologe auf dem Feld der Sachverhalte.
Ganz anders verhält es sich in der Mediation. Dort wird die Vergangenheit ausschließlich als Ausdruck der Sichtweise des/der jeweiligen Konfliktbeteiligten wahrgenommen. Der Mediator leitet die Beteiligten dazu an, Lösungen für die Zukunft zu entwickeln, die ihre Berechtigung nicht in der Vergangenheit begründen. Dies ist für viele Streitbeteiligte nicht selbstverständlich. Schließlich hat der Konflikt seine Ursache in der Vergangenheit und viele Betroffene verharren, auch wenn es um die Beilegung des Konflikts geht, in der Vergangenheit. In der Vergangenheit können Sie aber einen Konflikt nicht lösen. Da liegt das Kind schon im Brunnen. Die Lösung (und nicht nur die Beilegung) des Konflikts liegt ausschließlich in der Zukunft.
Hier hilft oft die berühmte „Wunderfrage“: Angenommen, während Sie schlafen geschieht ein Wunder und das Problem, das Sie schon seit längerer Zeit belastet, ist gelöst. Da Sie geschlafen haben, wissen Sie nicht, dass dieses Wunder geschehen ist. Woran erkennen Sie, dass ihr Problem gelöst ist? (Was genau wäre anders? Wie würden Sie sich anders verhalten? Was würden Sie tun, wenn Sie sich von dem beklagten Zustand befreit fühlen? Welche Gedanken/Gefühle sind dann anders? Wer in Ihrer Umwelt würde bemerken, dass dieses Wunder geschehen ist?) Die meisten Medianden sind meiner Erfahrung nach nicht in der Lage, diese Frage aus dem Stegreif heraus zu beantworten. Der Mediator muss sie dazu bringen, sich wirklich einmal mit der Zukunft zu beschäftigen.
Nur dann, wenn eine klare Zukunftsperspektive bei den Beteiligten vorhanden ist, kann man Lösungen hierzu entwickeln. Und wenn man sich auf eine gemeinsame Zukunftsperspektive geeinigt hat, fällt es den Beteiligten oft leichter, kreative Lösungsoptionen zu finden. Das fällt auch deshalb leichter, weil man nicht immer auf den Konflikt fokussiert ist. Oft stellt sich heraus, dass beide Beteiligte die Zukunftsperspektive des jeweils anderen durchaus akzeptieren können. Und man erkennt auch, dass das Hauptziel des anderen nicht ist, einem zu schaden, sondern dass auch er nicht von Bösartigkeit geleitet ist sondern von durchaus anerkennenswerten Sorgen um die eigene Zukunft.
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