Manchmal kommt einem schon der Gedanke, dass manche Ex-Ehepartner und Eltern zwangstherapiert werden sollten, damit sie ihren Kindern außer der Trennung und Scheidung nicht noch weiteren Schaden zufügen. Dieser Gedanke drängt sich auf, wenn man die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 18.04.2013 (12 UF 108/12) liest.
Inhaltlich geht es hier um die Frage, ob dem Kindesvater die elterliche Sorge begrenzt auf die Frage, ob die Kinder am Religionsunterricht teilnehmen sollen, übertrage werden soll. Es graut einem aber, wenn man die Vorgeschichte anschaut. Die Kinder, Zwillinge, sind 2006 geboren. Die Ehe der Eltern wurde Februar 2009 geschieden. Ein erstes Umgangsrechtsverfahren wurde 2008 eingeleitet und nach Einholung eines Sachverständigengutachtens im Januar 2009 vergleichsweise geregelt. Dies hielt nicht lange. Der Vater stellte erneut einen Umgangsantrag, die Mutter einen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts zur Regelung des Kindergartenbesuchs. Erneuter Vergleich am 4.2.2009: Danach sollte die Antragsgegnerin die Kinder in einem Kindergarten anmelden und der mit Vergleich vom 21.01.2009 geregelte Umgang stattfinden.
So ging es dann laut dem Beschluss weiter: „Unter dem 23.04.2010 beantragte die Antragsgegnerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz. Bereits in der Vergangenheit habe es Gewaltvorfälle und Polizeieinsätze gegeben. Am 10.04.2010 habe der Antragsteller die Kinder zur Ausübung des Umgangsrechts bei ihr abholen wollen, nachdem er sich zuvor verspätet und die Kinder nicht bei der Großmutter abgeholt habe. Er habe sie, die Antragsgegnerin, vor ihrer Wohnung unvermittelt fest am Arm gepackt, nach hinten gerissen und sie am Aufschließen der Tür gehindert. Als sie mit den Kindern habe wegfahren wollen, habe er das Fahrrad festgehalten. Er habe dann die Polizei geholt, die die Angelegenheit klären sollte. Sie hätte die Kinder gefragt, ob sie mit zum Vater wollten. Die Kinder hätten das verneint. Der Anweisung der Polizei, die Kinder bei der Mutter zu lassen, habe er sich nicht widersetzt. Gleichwohl hat die Antragsgegnerin Anzeige wegen Nötigung gestellt. Das Gericht hat die beantragte einstweilige Anordnung erlassen ( 6 F 104/10 AG Monschau). Schließlich hat es ein weiteres Umgangsverfahren (6 F 116/11AG Monschau) gegeben. In diesem Verfahren wurde neben weiteren Regelungen durch Beschluss vom 20.07.2012 ein 14-tägiges Umgangsrecht von freitags bis sonntags 17.00 Uhr festgelegt, nachdem das Gericht zuvor ein neues Gutachten eingeholt hatte. Die Sachverständige U hat unter dem 04.06.2012 ein Gutachten erstattet. Sie führt in ihrer Zusammenfassung u.a. aus, dass von einem hochstrittigen Elternkonflikt zu sprechen sei. Bei beiden Eltern, insbesondere aber bei der Mutter, lägen Beeinträchtigungen ihres Verhaltens vor. Sie gestehe dem sorgeberechtigten Vater kaum zu, sich an der Erziehung der Kinder zu beteiligen. Aus ihrer Sicht sei eine „Spielbeziehung“ zwischen den Kindern und dem Vater völlig ausreichend und mehr wolle sie ihm nicht zugestehen. Die genannten Probleme träfen in ähnlicher Weise auch auf den Kindesvater zu, aber in einem geringeren Ausmaß, zumal seine Möglichkeiten des Einwirkens auf die Kinder geringer seien. Die Sachverständige appelliert an die Eltern, ihr Verhalten zu ändern, da ansonsten für die Kinder das Risiko negativer Folgen der elterlichen Trennung gravierend sei. Hinsichtlich des Kindesvaters empfiehlt sie, dass sich dieser in jedem einzelnen Fall gründlich überlegen solle, ob gerichtliche Auseinandersetzungen wirklich den (langfristigen) Interessen der Kinder dienen. Der Kindesmutter rät sie, mehr Bereitschaft zu entwickeln, sich den Einschätzungen und Empfehlungen von Fachleuten zu öffnen, z.B. bezüglich einer möglichen Förderung der Kinder. Darüber hinaus solle sie mehr darauf achten, den Kindern soziale Regeln zu vermitteln.“
Aufgrund der anstehenden Einschulung der Kinder kam es dann zum Streit zwischen den Eltern hinsichtlich der Teilnahme am Religionsunterricht (beide sind nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft). Man lässt sich ja keine Gelegenheit zum Streiten entgehen!
Weiter geht es dann so: „In der Zwischenzeit wurden die Kinder im Sommer 2012 eingeschult. In dem von der Antragsgegnerin ausgefüllten Formular zur Schulanmeldung hat sie die Teilnahme am Religionsunterricht verneint. Außerdem hat sie hinter dem Namen des Antragstellers vermerkt: „gewalttätig, auflauernd, deswegen bitte keine Auskünfte die über das unbedingt Notwendige hinausgehen“. Jugendamt und Verfahrensbeistand haben es für sinnvoll gehalten, dass die Kinder am Religionsunterricht teilnehmen. Die Kinder haben bei ihrer Anhörung erklärt, dies nicht zu wollen. Auf die Frage nach dem Warum haben sie geantwortet: „Weil wir das nicht wollen.““
Am 30.05.12 hat das Amtsgericht dem Antragsteller die Entscheidungsbefugnis über den Besuch des Religionsunterrichts und des Schulgottesdienstes übertragen.
Was fehlt noch? Richtig! Auch der Vorwurf, der Kindesvater habe die ‚Tochter unsittlich berührt, bleibt nicht aus.
Nun hat das Oberlandesgericht die gegen die Entscheidung des Amtsgerichts eingelegte Beschwerde zurückgewiesen.
Man kann da nur noch gespannt sein, welche Streitpunkte die Eltern noch auf dem Rücken der Kinder austragen werden. letztlich ist dieser Streit nur dadurch zu befrieden, dass beide Elternteile sich einer Therapie unterziehen. Ich wage allerdings die Prognose, dass sie das nicht tun werden. Die einzigen, die hier wirklich leiden, sind die Kinder!
Der Konflikt tönt nicht gerade üblich, aber sprengt auch nicht den Rahmen dessen, was man so erlebt in der Branche.
Was mich allerdings wirklich erstaunt ist die Angelegenheit mit dem Religionsunterricht: Wenn weder Kindsvater noch Kindsmutter einer Religionsgemeinschaft angehören und die Mutter sowie beide Kinder sich gegen den Besuch des Religionsunterrichts äussern, wie kommt dann das Jugendamt dazu, sich zu der Frage im bejahenden Sinn zu äussern? Und inwiefern geht die Angelegenheit den Verfahrensbeistand etwas an? Was genau soll am Besuch des Religionsunterrichts „sinnvoll“ sein? Ist es einfach die persönliche Meinung der zuständigen Personen, dass der Besuch von Religionsunterricht generell „sinnvoll“ sei, oder gibt es dazu eine Begründung, welche irgend etwas mit den betroffenen Kindern zu tun hat? Ist es nicht heikel, wenn Amtspersonen in so einem sensiblen Bereich – erst recht, wenn er strittig ist – Partei ergreifen?