Vor einigen Tagen habe ich hier eine ganz nette Geschichte eines amerikanischen Juristen gelesen:

„Während meines zweiten Jahres an der juristischen Fakultät hatte ich meinen ersten „richtigen“ Anwaltsjob. Ich war als Sachbearbeiter bei einer örtlichen Rechtsdienstleister. Am ersten Tag bekam ich 24 Akten ausgehändigt um sie zu bearbeiten. Das wäre mein Job für das Semester. Drei Wochen später bat ich den Managing Anwalt um mehr Akten. Als er mich nach den ersten 25 fragte, die er mir gab, erzählte ich ihm, dass ich sie gelöst hätte.

Er war sehr überrascht – und sehr neugierig. Er fragte mich, wie ich das geschafft hätte.Ich teilte ihm mit, dass ich die Akten durchgesehen, mit den Mandanten gesprochen hätte, dass ich über ein faires Ergebnis nachgedacht hätte und was getan werden müsste. Ich rief den gegnerischen Anwalt an und erreichte eine befriedigende Lösung.

Ich wusste überhaupt nichts über den Anwaltsberuf und hatte auch keinerlei Vorstellung, ob die Fälle schwierig waren, eine lange Bearbeitugnsdauer hätten oder auf eine bestimmte Art bearbeitet werden müssten. Mit gesundem Menschenverstand und der Naivität des Anfängers habe ich Lösungen gefunden, die für die Beteiligten am besten waren. Einfach? Für mich ja!“

Diese Erzählung hat mir klar gemacht, dass Juristen aufgrund ihrer Ausbildung darauf getrimmt werden, problemorientiert zu denken. Im Studium heißt es bereits: „Wie ist die Rechtslage?“ anstatt zu fragen, wie könnte das Problem für alle am sinnvollsten gelöst werden. Offenbar unterstellen Juristen unausgesprochen, dass die „Rechtslage“ die optimale Lösung darstellt.

Juristen analysieren das (juristische) Problem. Ob diese (juristische) Problemlösung auf die konkreten Bedürfnisse der am Problem beteiligten Personen oder Unternehmen wirklich passt, ist vollkommen uninteressant. Die Problemorientierung ist auch auschließlich rückwärts gewandt. Es wird gefragt, was war und warum war es so. Die Zukunft spielt nur am Rande eine Rolle.

Demgegenüber fragt die lösungsorientierte Problemlösungsperson nach dem „wozu?“. Es geht darum, das Problem so zu lösen, dass die Beteiligten in ihrer konkreten Situation das Ergebnis für fair halten und dass sie mit dem Ergebnis leben können. Dieses Denken ist dem Juristen eigentlich fremd. Ich kann aus eigener Erfahrung (als Jurist) berichten, dass ich gelegentlich nicht verstehen konnte, warum ein Mandant die Rechtslage für sich nicht nutzen wollte und lieber einen (für mich angesichts der Rechtslage) eher ungünstigen Vergleich eingegangen ist. Gerade Anwälte sind darauf geeicht, die Möglichkeiten der Rechtslage auszuloten, anstatt nach günstigen Lösungsmöglichkeiten für die Problemlage zu suchen.

Genau hier liegt auch der Unterschied zwischen Anwälten und Mediatoren. Mediatoren arbeiten lösungsorientiert. Sei erörtern, welche Bedürfnisse und Interessen hinter dem Problem stehen und wie man sie so lösen kann, dass alle Beteiligten damit zufrieden sein können.

So kommt man in der Regel viel schneller zu einem Ergebnis und die Beteiligten sind zufriedener. Diese unterschiedliche Denkrichtung führt auch dazu, dass Mediation von den meisten Rechtsanwälten eher negativ gesehen wird (wenn sie nicht selbst Mediatoren sind) und deshalb wird auch Mediation eigentlich viel seltener in Anspruch genommen, als es dem Image der Mediation in der Bevölkerung entspricht.